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Die Wertung von Nebenangeboten – BGH-Beschluss vom 07.01.2014
Nebenangebote werden in den Vergabeordnungen eher stiefmütterlich behandelt. So sieht die VOB/A für den Baubereich zum Beispiel lediglich in ein paar dünnen Paragrafen vor, dass der Auftraggeber im Rahmen der Ausschreibung anzugeben hat, ob er zusätzlich zum Hauptangebot auch noch zulassen will, dass die Bieter alternative Vorschläge durch die Abgabe von so genannten Nebenangeboten unterbreiten dürfen. Der Auftraggeber kann in der Ausschreibung explizit regeln, ob er Nebenangebote nur zusammen mit einem Hauptangebot oder auch isoliert zulassen will, § 8 Abs. 2 Nr. 3 lit. a VOB/A.
§ 32 VSVgV (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit) enthält für sicherheits- oder verteidigungsrelevante Bauaufträge zumindest den Hinweis an den Auftraggeber, dass er in der Ausschreibung anzugeben hat, welche Mindestanforderungen für von ihm zugelassene Nebenangebote gelten.
Diese eher dürren Regelungen in den Vergabeordnungen stehen im krassen Widerspruch zu der Bedeutung, die Nebenangeboten in der Praxis zukommt. Durch die Zulassung von Nebenangebote will der Auftraggeber das kreative Potential beim Auftragnehmer nutzen. Die Bieter werden aufgefordert, alternative Vorschläge zu unterbreiten, die ebenfalls zum gewünschten Ergebnis führen aber gegebenenfalls wirtschaftlicher sind oder sonstige Vorteile mit sich bringen. Nebenangebote sind das Instrument, um bei den Bietern vorhandenes know how für den Auftraggeber nutzbar zu machen.
Das Problem: Wie ist ein Nebenangebot zu werten?
Das große Problem, dass sich in der Praxis regelmäßig stellt, ist die Frage, wie Nebenangebote vom Auftraggeber zu werten sind. Der Auftraggeber hat bei Zulassung von Nebenangeboten ja nicht nur gegebenenfalls mehrere Nebenangebote von dutzenden Bietern gegeneinander abzuwägen, sondern er muss ja vor allem auch bewerten, ob und welches Nebenangebot im Vergleich zu den ebenfalls vorliegenden Hauptgeboten, die auf den Amtsvorschlag erfolgt sind, für seine Zwecke besser geeignet ist.
Diese Wertung von Nebenangeboten steht dabei immer unter der Prämisse, dass der Zuschlag am Ende der Tage auf das „wirtschaftlichste“ Angebot erfolgen soll, § 97 Abs. 5 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) und das ganze Vergabeverfahren mitsamt des Wertungsprozederes von der ausschreibenden Stelle „transparent“ zu gestalten ist, § 97 Abs. 1 GWB.
Der Preis als alleiniges Kriterium zur Wertung von Nebenangeboten
In Anbetracht der Schwierigkeit, Wertungskriterien für ein Nebenangebot zu definieren, dessen genauer Inhalt der ausschreibenden Stelle zum Zeitpunkt der Ausschreibung qua definitionem unbekannt ist, verwundert es nicht, dass sich in der Vergangenheit Auftraggeber in vielen Fällen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurückgezogen und den Preis zum alleinigen Wertungskriterium auch für die Wertung von Nebenangeboten erkoren haben.
Sollte also, so der Inhalt solcher den Bietern zur Verfügung gestellten Ausschreibungsunterlagen, das Ziel der Ausschreibung im Rahmen eines Nebenangebotes zu einem günstigeren Preis hergestellt werden können, dann soll dieser günstigere Preis auch das entscheidende Kriterium für die Vergabeentscheidung des Auftraggebers sein.
Natürlich verursachte eine solche Vorgehensweise, Nebenangebote zuzulassen und gleichzeitig festzulegen, dass das Nebenangebot mit dem günstigsten Preis den Zuschlag erhalten soll, bei Bietern und nicht zuletzt bei Vergabekammern und Vergabesenaten Kopfzerbrechen. Man argwöhnte, dass hier Nebenangebote durchgewunken werden, die mit den ursprünglichen Qualitätsanforderungen des Amtsvorschlages nicht mehr viel zu tun hätten. Ein Nebenangebot musste nur „ordentlich abgespeckt“ werden, um als Sieger mit dem günstigsten Preis durchs Ziel zu gehen.
Die im Vergabeverfahren gebotene Transparenz der Vergabeentscheidung sei, so lautete regelmäßig die Argumentation vor allem der unterlegenen Bieter, nicht mehr gewährleistet.
Oberlandesgerichte widersprechen sich
Dieser Streit, ob man bei Zulassung von Nebenangeboten den Preis als alleiniges Entscheidungskriterium für eine Vergabe heranziehen dürfte, erhielt nicht zuletzt durch voneinander abweichenden Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte neue Nahrung.
Während zum Beispiel das OLG Düsseldorf die Zulässigkeit von Nebenangeboten bei dem einzigen Wertungskriterium des günstigsten Preises verneinte (Beschluss vom 2.11.2011, Az. VII-Verg 22/11), hielt das OLG Schleswig (Beschluss vom 15.04.2011, Az. 1 Verg 10/10) eine solche Vorgehensweise für unproblematisch möglich.
Der Bundesgerichtshof entscheidet den Streit
Das OLG Jena legte in Anbetracht dieser voneinander abweichenden Entscheidungen diverser Oberlandesgerichte die Frage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.
Der BGH hat sich nunmehr in seiner Entscheidung vom 07.01.2014 der unter anderem vom OLG Düsseldorf vertretenen Rechtsmeinung angeschlossen. Danach ist die Wertung von Nebenangeboten dann unzulässig, wenn der Auftraggeber in seiner Ausschreibung als alleiniges Wertungskriterium den Preis definiert hatte.
Auftraggeber müssen, so der BGH, den Bietern vielmehr über den Preis hinaus weitere Kriterien an die Hand geben, an denen auch die Nebenangebote gemessen werden sollen.
„Erforderlich, aber im Interesse des Transparenzgebots auch ausreichend ist, dass den Bietern - neben technische Diversität zulassenden technischen Spezifikationen - als Mindestanforderungen in allgemeinerer Form der Standard und die wesentlichen Merkmale deutlich gemacht werden, die eine Alternativausführung aus Sicht der Vergabestelle aufweisen muss.“
Mit dieser Festlegung hat der BGH den Ball natürlich wieder zu den ausschreibenden Stellen zurück gespielt. Letztere müssen nämlich zukünftig dafür sorgen, dass sie bei der Zulassung von Nebenangeboten über den Preis hinaus Wertungskriterien definieren, die zum einen die Vorgaben des BGH berücksichtigen, zum anderen aber den mit der Zulassung von Nebenangeboten gewünschten Ideenwettbewerb nicht abwürgen.
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