Die Vertragsstrafe im Bereich der öffentlichen Bauvergabe

Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist in Bauverträgen keine Seltenheit. Vertragsstrafen werden in erster Linie dazu genutzt, um die Einhaltung vereinbarter Zwischen- oder Fertigstellungstermine absichern und dem ausführenden Unternehmen die Wichtigkeit der im Vertrag vereinbarten Termine vor Augen zu führen.

Wird das Bauprojekt zu spät fertig, dann zieht der Auftraggeber dem ausführenden Unternehmen die verwirkte Vertragsstrafe einfach von seinem Werklohn ab.

Im Baubereich wurde mit Vertragsstrafen in der Vergangenheit viel Schindluder getrieben. Vermeintlich gewitzte Auftraggeber versuchten nämlich die Vertragsstrafe als Mittel zur Aufstockung der eigenen Rendite zu missbrauchen. Lange Jahre wurden Vertragsstrafen in unmoralischer Höhe und darüber hinaus verschuldensunabhängig in zahlreichen Bauverträgen etabliert. Im Einzelfall wurde dann nicht mehr danach gefragt, ob das ausführende Unternehmen überhaupt etwas für die aufgetretene Verzögerung konnte oder ob dem Auftraggeber durch den Terminverzug überhaupt ein messbarer Schaden entstanden war. Die ohnehin knapp bemessene Gewinnmarge des ausführenden Unternehmens schmolz durch die Vertragsstrafe in vielen Fällen dahin.

Gerichte haben auf solche Missstände in der Zwischenzeit reagiert. So werden heutzutage in Bauverträgen allzu forsch formulierte Vertragsstrafenvereinbarungen gerne einmal mit Hilfe des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt.

Im Bereich der öffentlichen Bauvergabe haben die im für die Formulierung der VOB/A zuständigen Vergabeausschuss vertretenen Mitglieder der Auftragnehmerseite dafür gesorgt, dass in die VOB/A eine Formulierung zur Vertragsstrafe Einzug gehalten hat, mit der sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Auftragnehmer leben können.

§ 9 Abs. 5 VOB/A sieht nämlich folgende Regelung vor:

Das Vergabehandbuch des Bundes sieht für in öffentlichen Bauausschreibungen enthaltene Vertragsstrafenabreden weitere Konkretisierungen vor:

So soll die ausschreibende Stelle berücksichtigen, dass eine im Bauvertrag vorgesehene Vertragsstrafe immer ein Wagnis für das ausführende Unternehmen darstellt, das den Auftragnehmer dazu veranlassen kann, dieses Wagnis in den Baupreis einzukalkulieren. Eine Vertragsstrafe führt latent also immer zu höheren Angebotspreisen.

Zur Frage der Höhe der Vertragsstrafe verweist das Vergabehandbuch auf das „Ausmaß der Nachteile sein, die bei verzögerter Fertigstellung voraussichtlich eintreten“ werden. Diese Nachteile müssen für die ausschreibende Stelle bereits nach § 9 Abs. 5 VOB/A „erheblich“ sein, um überhaupt die Aufnahme einer Vertragsstrafe in den Bauvertrag zu rechtfertigen.

Vertragsstrafen für Einzelfristen sollen überhaupt nur dann vereinbart werden, wenn der Baufortschritt von diesen Einzelfristen entscheidend abhängt.

Schließlich hat das Vergabehandbuch des Bundes sehr konkrete Vorstellungen zu der Frage, was eine angemessene Höhe einer Vertragsstrafe ist: Die Vertragsstrafe soll danach „0,1 v.H. je Werktag, insgesamt jedoch 5 v.H. der Auftragssumme nicht überschreiten.“

Sprengt ein öffentlicher Bauauftraggeber ohne guten Grund diesen in VOB/A und VHB vorgegebenen Rahmen, so steht es jedem Bieter in einem Vergabeverfahren frei, den Auftraggeber an die Einhaltung der Regelungen des § 9 Abs. 5 VOB/A zu erinnern.