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Ein Projektant darf nicht gleichzeitig Bieter sein – Der vorbefasste Bieter
Die Welle des „Outsourcings“ hat auch vor der öffentlichen Verwaltung nicht halt gemacht. Während Planungsleistungen und die Erstellung von Ausschreibungsunterlagen früher noch weitestgehend von den öffentlichen Auftraggebern selber vorgenommen wurden, gehört es heutzutage fast zum guten Ton, externe Berater mit diesen Aufgaben zu betrauen.
Dies ist nachvollziehbar bei hochkomplexen Ausschreibungen zum Beispiel im Bereich von IT-Leistungen, bei denen man von einer Behörde schlechterdings nicht erwarten kann, dass sie das für die Erstellung einer solchen Ausschreibung notwendige know-how intern aufbieten kann.
Aber es werden von öffentlichen Auftraggebern eben auch in solchen Bereichen fast ausschließlich externe Planungskräfte in Anspruch genommen, bei denen man davon ausgehen sollte, dass sie zum ureigenen Geschäft des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers gehören. So bedient sich zum Beispiel die Deutsche Bahn AG in erheblichem Umfang externer Planungsbüros, wenn es um die Planung, Ausschreibung und Realisierung von neuen Bahnstrecken geht. Dass mit einer solchen Geschäftspraktik ein schleichender Verlust von hauseigenem Wissen über das eigene Kerngeschäft verbunden ist, scheint man dabei als eher unerheblich einzukalkulieren.
Die zunehmende Einschaltung externer Berater und Planer führt aber nicht nur dazu, dass öffentliche Auftraggeber selber immer weniger in der Lage sind, die von ihnen durchgeführten Vergaben mit eigenem Personal zu steuern und zu überwachen.
Die Einbindung externer Kräfte in ein Vergabeverfahren kann für den öffentlichen Auftraggeber vielmehr auch vergaberechtlichen Ärger nach sich ziehen.
Dabei geht es weniger um die Frage, dass die Beratungs- und Planungsleistungen ihrerseits oft nach den Grundsätzen der VOL/A bzw. VOF ausgeschrieben werden müssen.
Aus einem Berater wird ein Bieter
Grund für die Probleme ist vielmehr in vielen Fällen, dass derjenige Berater und Planer, der dem öffentlichen Auftraggeber im Vorfeld einer Ausschreibung helfend zur Seite gestanden hat, sich auch für die tatsächliche Ausführung der Leistung interessiert und sich dementsprechend selber als Bieter an dem von ihm wesentlich mit vorbereiteten und geplanten Vergabeverfahren beteiligt.
Eine solche Konstellation ist deswegen problematisch, da mit einer Zulassung des vorbefassten Beraters als Bieter eine für das Vergabeverfahren zentrale Forderung nach einer Gleichbehandlung aller Bieter möglicherweise nicht mehr erfüllt werden kann. Ein Bieter, der bereits Monate oder sogar Jahre mit einem bestimmten Projekt betraut war, kennt Einzelheiten der Vergabe oft besser als der Auftraggeber selber und hat in jedem Fall gegenüber anderen Bietern einen zeitlichen Vorsprung, weil er sich in die Ausschreibung nicht mehr einarbeiten muss.
Der Europäische Gerichtshof bezieht Position
In einer Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2005 wurden zu der Projektantenthematik im Vergabeverfahren grundlegende Aussagen getroffen (EuGH, Urteil vom 3. 3. 2005 - C-21/03).
Der EuGH stellte fest, dass es nicht von der Hand zu weisen ist, dass ein vorbefasster Bieter anhand von Informationen, die er im Hinblick auf den fraglichen öffentlichen Auftrag erlangen konnte, bei der Erstellung seines Angebots begünstigt sei. Alle Bieter müssten aber, so der EuGH, „bei der Erstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügen.“
Weiter wies der EuGH aber darauf hin, dass einem vorbefassten Bieter die Möglichkeit gegeben werden muss, zu beweisen, „dass nach den Umständen des Einzelfalls die von ihr erworbene Erfahrung den Wettbewerb nicht hat verfälschen können.“
Einen bedingungslosen Ausschluss von vorbefassten Bietern lehnte der EuGH ab.
Was sagen die Vergabeordnungen zu dem Problem?
Die vom EuGH skizzierte Linie, wonach der Auftraggeber in Anbetracht eines vorbefassten Mitbieters sicherstellen muss, dass für alle Bieter Chancengleichheit gegeben ist, bildet sich auch in den einschlägigen nationalen Vergabeordnungen ab.
Nach § 6 EG Abs. 7 VOB/A gilt zum Beispiel folgendes:
Hat ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder sonst unterstützt, so hat der Auftraggeber sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme dieses Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.
Was muss der Auftraggeber machen?
Danach ist es Aufgabe des Auftraggebers sicherzustellen, dass durch die Teilnahme eines vorbefassten Bieters an dem Vergabeverfahren der Wettbewerb nicht verfälscht wird. Der Auftraggeber muss insbesondere dafür sorgen, dass sich alle Bieter auf dem gleichen Informationslevel befinden und der vorbefasste Bieter hier keinen Informationsvorsprung vor den anderen Wettbewerbsteilnehmern hat.
Den Zeitvorsprung, den jeder vorbefasste Bieter bei der Bearbeitung seines Angebotes hat, muss der Auftraggeber gegebenenfalls durch die Einräumung großzügiger Angebotsfristen ausgleichen.
Nur wenn solche Maßnahmen zur Herstellung gleicher Bedingungen erkennbar nicht greifen, ist der Auftraggeber verpflichtet, den vorbefassten Bieter aus der Wertung zu nehmen.
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