Die Mischkalkulation – Zulässig oder nicht?

Der Idealfall einer Vergabe sieht für den Auftraggeber folgendermaßen aus: Auf eine Ausschreibung bekunden mehrere Bieter ihr Interesse und geben auch jeweils ein Angebot ab. In das der Ausschreibung beigefügte Leistungsverzeichnis haben die Bieter an der jeweiligen Stelle auskömmliche und insgesamt unauffällige Einheitspreise eingetragen. Nach Prüfung und Wertung der Angebote erteilt die ausschreibende Stelle auf das günstigste Angebot den Zuschlag und beendet damit das Vergabeverfahren.

Leider läuft es in der Praxis für den öffentlichen Auftraggeber nicht immer so reibungslos. Große Hektik bricht auf Auftraggeberseite vor allem immer dann aus, wenn diverse Bieter bei einzelnen Positionen in dem Leistungsverzeichnis Einheitspreise eingesetzt haben, die auch auf den zweiten Blick nicht nachvollziehbar erscheinen.

So kommt es durchaus vor, dass ausführende Unternehmen für einzelne abgefragte Leistungen lediglich Cent-Beträge oder sogar die Zahl „0“ eintragen. Für den Auftraggeber ist in diesen Fällen klar, dass einige der so bepreisten Positionen isoliert betrachtet für den Bieter und späteren Auftragnehmer gar nicht auskömmlich sein können. Gleichzeitig fällt dem Auftraggeber auf, dass andere Positionen vom Auftragnehmer mit Einheitspreisen versehen wurden, die mehr als auskömmlich sind.

Der Auftraggeber versteht den tieferen Sinn solcher Angebote in aller Regel nicht und argwöhnt in jedem Fall, dass sich der Auftragnehmer unlauter finanzielle Vorteile aus seiner Art des Kalkulierens verschaffen will.

In der Praxis gibt der Auftraggeber dem Bieter in diesen Fällen auf, seine Kalkulation und insbesondere die auffälligen Positionen in der Leistungsbeschreibung aufzuschlüsseln und zu erläutern.

Gibt der Bieter daraufhin die gewünschten Erklärungen ab, ist der Auftraggeber oft nicht sehr viel schlauer als vorher. Der Bieter verweist in diesen Fällen regelmäßig darauf, dass sein Gesamtangebot jedenfalls auskömmlich sei, er auf einzelne Positionen einen „Subventionsabschlag“ vorgenommen habe und der Bieter verweist im Übrigen auf die ihm zustehende Freiheit, seine Preise so zu kalkulieren, wie er das für richtig hält.

Ausschluss des Angebotes wegen verbotener Mischkalkulation?

Der Auftraggeber steht in diesen Fällen vor einer schwierigen Entscheidung. Er ist gehalten, die ihm zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel effizient und wirtschaftlich einzusetzen.

Aus zahllosen vorangegangenen Vergaben ist dem Auftraggeber bekannt, dass nur die allerwenigsten mit dem vom Bieter angebotenen Preis schlussgerechnet werden. Auftragnehmer versuchen regelmäßig, eine als zu gering empfundene Gewinnmarge durch durchaus üppige Nachtragsforderungen aufzubessern oder Auftragnehmer versuchen aus erkannten Fehlern im Leistungsverzeichnis Profit zu schlagen. In beiden Fällen können auffällige Einheitspreise ein Hinweis auf eine deutliche Erhöhung des Endabrechnungspreises sein.

Verdichtet sich die Vermutung des Auftraggebers, dass er es vorliegend bei einem bestimmten Angebot mit einer „Mischkalkulation“ zu tun hat, dann ist der Auftraggeber geneigt, ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2004 zu zitieren und den fraglichen Bieter vom Vergabeverfahren auszuschließen.

Tatsächlich hatte nämlich der BGH im Jahr 2004 folgenden Rechtssatz aufgestellt (Beschluss vom 18. 5. 2004 - X ZB 7/04):

Bevor der Auftraggeber einem Bieter jedoch auf dieser Grundlage mitteilt, dass er vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, sollte er folgendes bedenken:

Das Urteil des BGH aus dem Jahr 2004 basierte auf einem insoweit unstreitigen Sachverhalt. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Bieter selber eingeräumt, ein „Mischkalkulationsverfahren angewendet“ zu haben. Mit diesem Geständnis begründete der BGH seinen Vorwurf an den Bieter, er habe „für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend“ angegeben.

Nach dem Urteil des BGH führt eine (auch noch eingestandene) Mischkalkulation zwingend zum Ausschluss des Angebotes.

Jeder Auftraggeber darf davon ausgehen, dass dieser Automatismus auch den ausführenden Unternehmen nicht verborgen geblieben ist. Entsprechend vorsichtig sind die ausführenden Unternehmen mit ihren Äußerungen geworden. Heute wird kaum ein ausführendes Unternehmen mehr unumwunden einräumen, dem eigenen Angebot eine Mischkalkulation zugrunde gelegt zu haben.

Vielmehr werden ausführende Unternehmen in Streitfällen darauf verweisen, dass diverse Oberlandesgerichte in Kenntnis des Urteils des BGH eine etwas differenziertere Meinung zu angeblichen Fällen verbotener Mischkalkulation entwickelt haben.

Dabei ist von der Vergabestelle insbesondere immer zu berücksichtigen, dass sie im Streitfall die Beweislast für die Behauptung trägt, dass eine unzulässige Mischkalkulation vorliegt. Bringt der Bieter eine zumindest halbwegs plausible Erklärung für seine Kalkulation, ist ein Ausschluss des Angebotes kaum mehr möglich.

Die Voraussetzungen, die die Vergabestelle bei einem Ausschluss eines Angebotes wegen unzulässiger Mischkalkulation vor Vergabekammer und Gericht vorzutragen und zu beweisen hat, hat das Kammergericht Berlin unlängst wie folgt zusammen gefasst (Beschluss vom 14.08.2012, Verg 8/12):

Die Vergabestelle, die mit dem Gedanken spielt, in einem konkreten Vergabeverfahren diesen Nachweis für eine verbotene Mischkalkulation zu führen, sollte sich jedenfalls auch mit einem weiteren Leitsatz des Kammergerichts in der angeführten Entscheidung beschäftigen: