Rechtsanwalt Max Mustermann, Musterstraße 1, 12345 Musterhausen, Tel.: 01234/56789, max@mustermann.de
Auf ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis darf der Zuschlag nicht erteilt werden
Ein Vergabeverfahren eines öffentlichen Auftraggebers ist in der Praxis im Wesentlichen ein Preiswettbewerb. Wenngleich die Vergabestelle ausdrücklich dazu aufgerufen ist, der Auftragsvergabe neben dem Preis weitere Wertungskriterien wie z.B. die Qualität, den technischen Wert, die Ästhetik oder Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst und technische Hilfe oder Ausführungsfrist heranzuziehen, hat der Preis bei der Vergabe öffentlicher Aufträge nach wie vor eine überragende Bedeutung. In aller Regel hat derjenige Bieter die besten Karten, der den günstigsten Preis für die ausgeschriebene Leistung anbietet.
Dass der günstigste Bieter bei weitem nicht immer auch derjenige ist, der die ausgeschriebene Leistung am besten erledigt, ist eine Binsenweisheit. Qualität hat nun einmal ihren Preis.
Um den im Vergabeverfahren angelegten Preiswettbewerb nicht ungesund ausarten zu lassen, sehen nahezu alle Vergabeordnungen zu Gunsten des öffentlichen Auftraggebers eine Schutzvorschrift vor. Danach darf der Auftraggeber auf ein unangemessen niedriges Angebot keinen Zuschlag erteilen.
Diese Bestimmung findet sich für den Baubereich in den § 16 Abs. 6 VOB/A und 16 EG Abs. 6 VOB/A, für Liefer- und Dienstleistungsverträge in den § 16 Abs. 6 VOL/A und § 19 EG Abs. 6 VOL/A sowie in § 27 Sektorenverordnung.
In seinem eigenen Interesse ist es dem öffentlichen Auftraggeber also untersagt, auf auffallend niedrige Angebote einen Zuschlag zu erteilen.
Sinn und Zweck des Verbotes
Der Sinn und Zweck dieses Verbotes liegt auf der Hand. Hat der Bieter einen unauskömmlichen Preis angeboten, ist für den öffentlichen Auftraggeber Ärger vorprogrammiert, wenn er auf ein solches Billig- Angebot den Zuschlag erteilt.
Es spricht nämlich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der öffentliche Auftraggeber den günstigen Preis am Ende mit mehr oder weniger massiven Qualitätseinbußen bezahlen muss. Den Betrag, den sich der Auftraggeber also im Rahmen der Vergabe des Auftrages spart, darf er in diesen Fällen in die Mangelbeseitigung investieren.
Ebenfalls sollen erklärtermaßen unauskömmliche Preise von Bietern auch schon aus dem Grund angeboten worden sein, um sich den Auftrag zu sichern und nachfolgend mit stolzen Nachtragsforderungen das Gesamtergebnis wieder aufzubessern.
Schließlich läuft ein öffentlicher Auftraggeber bei Bezuschlagung eines Billig-Angebotes immer Gefahr, dass ihm sein Vertragspartner noch während der Ausführungszeit im Wege der Insolvenz wegstirbt. Unternehmen, die bereits angeschlagen und dringend auf der Suche nach neuen Aufträgen sind, neigen dazu, auch einmal einen Preis anzubieten, bei dem die eigentlich üblichen Kalkulationspositionen „Wagnis und Gewinn“ komplett vernachlässigt werden. Der finanzielle Mehraufwand, der dem Auftraggeber im Falle der Insolvenz seines Vertragspartners entsteht, steht regelmäßig in keinem Verhältnis zu den Einsparungen, die der Auftraggeber im Rahmen der Vergabe realisieren konnte.
Wann liegt ein unangemessen niedriger Preis vor?
Die Frage, ob ein ungewöhnlich niedriger Preis vorliegt oder nicht, kann der öffentliche Auftraggeber nur durch den Vergleich des ihm vorliegenden Angebotes mit anderen ihm zur Verfügung stehenden Messgrößen beantworten. Auffällig ist ein Angebot immer dann, wenn es nachhaltig günstiger ist, als alle anderen dem Auftraggeber vorliegenden Angebote. Weiter kann und muss der Auftraggeber seine eigene Kostenschätzung zu Rate ziehen, um einen ungewöhnlich niedrigen Preis zu identifizieren.
In der Regel wird man bei einer Abweichung des billigsten Angebotes um 15-20% vom Zweitplatzierten und/oder der Kostenschätzung davon ausgehen müssen, dass das Angebot zumindest auffällig ist. Eine mathematisch fixe Grenze gibt es hier allerdings nicht. Entscheidend sind immer die Umstände des Einzelfalls.
Dabei kommt es für die Frage der Unangemessenheit eines Preises immer nur auf den angebotenen Gesamtpreis an. Ein Angebot, das lediglich für einzelne Leistungspositionen einen auffällig geringen Preis angesetzt hat, mag unter dem Gesichtpunkt eines „Spekulationsangebotes“ interessant sein, unter das Verbot des Zuschlags auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot fällt ein solcher Fall nicht.
Wie muss der Auftraggeber reagieren?
Der öffentliche Auftraggeber darf sich von einem als auffällig identifizierten Angebot nicht sofort verabschieden, sondern hat die Pflicht, schriftlich von dem betroffenen Bieter unter Setzung einer zumutbaren Antwortfrist Aufklärung über die Kalkulation seiner Preise zu verlangen.
Kann der Bieter durch seine Erläuterungen glaubhaft machen, dass die von ihm angebotenen Preise für ihn auskömmlich sind, darf das Angebot weiter in der Wertung bleiben und es darf auch der Zuschlag auf dieses Angebot erteilt werden.
Werden die Bedenken des Auftraggebers hingegen vom Bieter nicht ausgeräumt, darf der Zuschlag auf das Angebot nicht erteilt werden.
Fühlt sich ein Bieter durch eine solche Entscheidung des Auftraggebers ungerecht behandelt, dann steht es ihm, zumindest in Vergabeverfahren oberhalb der Schwelle, frei, eine Vergabekammer von der Auskömmlichkeit seines Preises zu überzeugen.
Ein Konkurrent des Billig-Bieters kann sich hingegen regelmäßig nicht auf das Verbot, wonach ein Zuschlag auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot nicht erteilt werden darf, berufen.
Die Rechtsprechung vertritt hierzu folgende Einschätzung (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 16.02.2012, Verg W 1/12):
„Die Vorschrift des § 27 SektVO und die damit korrespondierenden Regelungen in der VOB/A bzw. VOL/A dienen in erster Linie dazu, den Auftraggeber davor zu schützen, bei Zuschlagserteilung auf ein Unterkostenangebot Gefahr zu laufen, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß zu Ende führen kann. Ein anderer Bieter kann sich nach inzwischen ganz überwiegender Auffassung in der vergaberechtlichen Rechtsprechung, die der Senat teilt, demnach auf eine bieterschützende Wirkung nur berufen, wenn das Niedrigpreisangebot in der zielgerichteten Absicht der Marktverdrängung abgegeben oder zumindest die Gefahr begründet wird, dass bestimmte Wettbewerber vom Markt ganz (und nicht nur von einer einzelnen Auftragsvergabe) verdrängt werden, oder der Auftragnehmer durch die niedrige Preisgestaltung in so erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dass er den Auftrag nicht vertragsgerecht zu Ende bringen kann.“
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