Die Vergabeakte als Dokumentation des Vergabeverfahrens

Nach § 97 Abs. 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) vergeben öffentliche Auftraggeber ihre Aufträge im Wege transparenter Vergabeverfahren. Folge dieser Forderung nach Transparenz im Vergabeverfahren ist, dass der Auftraggeber im Zweifel auch in der Lage sein muss, sein gesetzes- und ausschreibungskonformes Verhalten nach außen zu dokumentieren.

Der einzelne Bieter hat einen Anspruch darauf, dass alle wesentliche Schritte und Entscheidungen im Vergabeverfahren vom Auftraggeber schriftlich niedergelegt werden. So schreibt § 20 VOB/A dem Auftraggeber beispielsweise vor, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen, die maßgebenden Feststellungen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden müssen.

Dabei setzt diese Dokumentationspflicht für den Auftraggeber bereits sehr früh ein. So muss sich aus der Vergabeakte zum Beispiel bereits die Entscheidung des Auftraggebers für ein bestimmtes Vergabeverfahren enthalten, Angaben zum Wert des Auftrages enthalten und gegebenenfalls Aussagen über die Entscheidung für oder gegen eine losweise Vergabe eines Auftrags enthalten.

Die Vergabeakte ist vom Auftraggeber „zeitnah“ zu führen und mit dem Gang des Ausschreibungsverfahrens fortlaufend zu ergänzen.

In vielen Vergabeverfahren wird diese Pflicht des Auftraggebers zur sorgfältigen Dokumentation mehr oder weniger zuverlässig erfüllt und die Vergabeakte wandert nach Abschluss des Verfahrens in das Archiv des Auftraggebers.

Zuweilen rückt der Inhalt einer Vergabeakte jedoch schlagartig in den Fokus des Interesses aller Beteiligten. Hilft nämlich bei Vergaben oberhalb des Schwellenwertes der Auftraggeber einer Vergaberüge eines Bieters nicht ab und entschließt sich der Bieter, sein Anliegen von der Vergabekammer überprüfen zu lassen, dann gehört es mit zu den ersten Amtshandlungen der Kammer, den Auftraggeber zur kurzfristigen Übermittlung der vollständigen Vergabeakte aufzufordern.

Dies verursacht beim Auftraggeber regelmäßig auch deswegen eher ungute Gefühle, weil in einem laufenden Vergabekammerverfahren nicht nur die Kammer selber, sondern auch der den Nachprüfungsantrag stellende Bieter ein Recht auf Einsicht in die Vergabeakte hat § 111 GWB. Zum Umfang dieses Akteneinsichtsrechts des rügenden Bieters gibt es – je nach Interessenlage – durchaus unterschiedliche Meinungen. Während die wohl herrschende Meinung das Einsichtsrecht des Bieters auf den Sachverhalt rund um die konkret erhobene Rüge des Bieters beschränken will (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 01.06.2011, 2 Verg 3/11), wird von anderer Seite betont, dass zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes das Akteneinsichtsrecht gerade nicht durch die vom Bieter vorgebrachten Vergaberechtsverstöße beschränkt sein darf (so Dicks in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, § 111 GWB Rz. 6).

Die Akteneinsicht durch den Bieter im Nachprüfungsverfahren birgt demnach in jedem Fall für den Auftraggeber die Gefahr, dass er mit den in die Vergabeakte aufgenommenen Feststellungen oder aber auch mit dem Unterlassen einer entsprechenden Dokumentation dem rügenden Bieter Munition für seinen Nachprüfungsantrag liefert.

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