Sind Eventualpositionen oder Bedarfspositionen im Leistungsverzeichnis zulässig?

Eventual- oder auch Bedarfspositionen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ebenso weit verbreitet wie heimtückisch.

Eine Bedarfsposition zeichnet sich dadurch aus, dass der Auftraggeber in seinem Leitungsverzeichnis kenntlich macht, dass er sich nicht sicher ist, ob er die fragliche Position am Ende überhaupt benötigt und vom Auftragnehmer ausführen lassen will. Für den Fall des „Bedarfs“ will er sich aber vom Auftragnehmer diese „eventuell“ zur Ausführung kommende Leistung schon einmal bepreisen lassen.

Die Motivation für die Aufnahme von Bedarfspositionen in ein Leistungsverzeichnis kann sehr unterschiedlich sein.

So kommt es durchaus vor, dass der Auftraggeber trotz größter Planungsanstrengungen nicht sicher ist, ob er zur mangelfreien Herstellung eines Werkes nicht doch noch auf eine unter einer Bedarfsposition verzeichnete Leistung zugreifen muss.

Wesentlich häufiger ist in der Praxis allerdings der Fall anzutreffen, dass der Auftraggeber vorhandene Planungslücken durch Bedarfspositionen schließen will. Die vom Auftraggeber erstellte Planung ist in diesen Fällen schlicht lückenhaft und unzureichend und der Auftraggeber will diesen Umstand dadurch kaschieren, indem er zusätzlich zu den Hauptleistungen Eventualpositionen ausschreibt, auf die er im Bedarfsfall zugreifen kann.

Besonders ahnungslose Auftraggeber nutzen Bedarfspositionen mitunter auch dazu, um Preise am Markt abzufragen. Wenn ein Auftraggeber selber nicht nah genug am Markt ist, um eine vernünftige Schätzung z.B. seiner Baukosten vorzunehmen, dann kann er leicht einmal auf die Idee kommen, im Rahmen einer Ausschreibung bei den ausführenden Firmen aktuelle Preise als „Bedarfspositionen“ abzufragen.

Was sagen die Vergabeordnungen zu Bedarfspositionen?

Die Vergabeordnungen sehen Bedarfspositionen mit gutem Grund sehr skeptisch. Stehen doch Bedarfspositionen dem Grunde nach in diametralem Gegensatz zu der jeder Ausschreibung zugrunde liegenden Prämisse, wonach die gewünschte Leistung nämlich so „eindeutig und erschöpfend“ zu beschreiben ist, dass der Bieter seinen Preis „sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen“ kann.

Mit einer Bedarfsposition räumt der Auftraggeber ein, dass er die Leistung weder eindeutig, noch erschöpfend beschreiben kann. Er signalisiert vielmehr durch die Aufnahme einer Bedarfsposition in sein Leistungsverzeichnis deutlich, dass er selber nicht genau weiß, welche Leistungen er für die Herstellung des ausgeschriebenen Werkes benötigt.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Vergabeordnungen Bedarfspositionen ablehnend gegenüber stehen. So gilt zum Beispiel nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A für den Baubereich sowohl im Unterschwellen- als auch im Bereich oberhalb der Schwelle folgendes:

Bedarfspositionen sind grundsätzlich nicht in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.

Im Baubereich hat sich der Verordnungsgeber danach klar positioniert: Bedarfspositionen haben in einer Leistungsbeschreibung grundsätzlich nichts verloren.

Was sagt das Vergabehandbuch des Bundes?

Noch drastischer als die VOB/A formuliert das Vergabehandbuch des Bundes seine Meinung zu Bedarfspositionen im Bereich von Ausschreibungen der öffentlichen Hand.

Nach Nr. 4.6 der allgemeinen Richtlinien zum Vergabeverfahren gilt nämlich folgendes:

Bedarfs- und Wahlpositionen dürfen weder in das Leistungsverzeichnis noch in die übrigen Vergabeunterlagen aufgenommen werden.

Wann sind Bedarfspositionen ausnahmsweise zulässig?

Wie oben bereits erwähnt, tauchen trotz der deutlichen Aussagen in VOB/A und Vergabehandbuch in der Praxis immer wieder Bedarfspositionen in Leistungsverzeichnissen auf. Öffentliche Auftraggeber laufen mit dieser Praxis insbesondere im Bereich oberhalb der Schwellenwerte immer latent Gefahr, dass ihre Ausschreibung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von einem Bieter angegriffen wird.

Wird im Baubereich ein solcher Nachprüfungsantrag mit Zielrichtung auf im Leistungsverzeichnis vorhandene Bedarfspositionen gestellt, dann bleibt dem Auftraggeber nur der vehemente Hinweis auf die Tatsache, dass nach § 7 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A Bedarfspositionen nur „grundsätzlich“ nicht ausgeschrieben werden sollen. Bereits die VOB/A selber geht also davon aus, dass es begründete Ausnahmefälle gibt, in denen der Auftraggeber auch eine Bedarfsposition ausschreiben darf.

Wann eine Bedarfsposition zulässigerweise ausgeschrieben werden darf, wird von den Vergabekammern und den Gerichten jeweils im Einzelfall entschieden. Es gibt keine belastbaren Kriterien, wann die Ausschreibung einer Bedarfsposition jedenfalls unzulässig ist.

Die Nachprüfungsinstanzen werten hier im Einzelfall die Anzahl der ausgeschriebenen Bedarfspositionen und das damit verbundene Auftragsvolumen. Die Vergabekammer des Bundes hat hier z.B. einmal eine Unzulässigkeit von Bedarfspositionen angenommen, die mehr als 15% des Gesamtauftragsvolumens entsprachen.

Auch dann, wenn sich in einem Nachprüfungsverfahren herausstellt, dass die Bedarfsposition den alleinigen Zweck hat, vorhandene Planungsmängel des Auftraggebers zu beheben, dürfte eine vom Bieter angerufene Vergabekammer nicht viel Freude an der Bedarfsposition haben.

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