Rechtsschutz für den Bieter im Bereich unterhalb der Schwellenwerte

Die überwiegende Mehrzahl der Vergabeverfahren in Deutschland spielt sich unterhalb der so genannten EU-Schwellenwerte ab. Das hat für die teilnehmenden Bieter eine einschneidende Auswirkung. Der Bieter-Rechtsschutz für diese Unterschwellenverfahren ist nirgendwo explizit geregelt. Insbesondere gelten die Vorschriften des vierten Teils des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) zum Nachprüfungs- und gerichtlichen Beschwerdeverfahren ausdrücklich nicht für Vergaben, deren Wert unterhalb der Schwellenwerte liegt, § 100 Abs. 1 GWB.

Primärrechtschutz für den ausgeschlossenen oder unterlegenen Bieter

Nach mittlerweile herrschender Meinung muss ein Bieter, der im Bereich unterhalb der Schwellenwerte einen Vergaberechtsverstoß durch den Auftraggeber beklagt, die Zivilgerichte bemühen. Nachdem es in vielen Fällen darum geht, den Auftraggeber von einem – aus Sicht des Bieters – vergaberechtswidrigen Zuschlag abzuhalten, spielt sich der Rechtsschutz unterhalb der Schwelle regelmäßig im so genannten einstweiligen Verfügungsverfahren ab. Ziel eines solchen Verfahrens ist immer, im Sinne des klagenden Bieters auf die Vergabeentscheidung des Auftraggebers Einfluss zu nehmen.

Für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sind, je nach Streitwert, die Amts- oder die Landgerichte zuständig, § 23 Abs. 1 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz).

Anhand welchen Maßstabs ein – in Vergabesachen meist unerfahrenes – Zivilgericht dann im Einzelfall eine Korrektur des gerügten Vergabeverstoßes anordnet, ist noch nicht abschließend geklärt. Während Gerichte auf der einen Seite betonen, dass Rechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte nur dann erfolgreich eingeklagt werden kann, wenn der öffentliche Auftraggeber willkürlich entschieden und vorsätzlich gegen Vergabevorschriften verstoßen habe, gehen andere Gerichte weiter und sehen eine Verpflichtung des Auftraggebers auch unterhalb der Schwelle zur strikten Einhaltung sämtlicher im konkreten Fall anwendbarer Vergabevorschriften(so z.B. OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2010, I-27 U 1/09).

Neben diesen Unwägbarkeiten im Bezug auf den vom Gericht angewendeten Prüfungsmaßstab hat das Rechtsschutzverfahren im Bereich unterhalb der Schwellenwerte gegenüber dem Verfahren nach dem 4.Teil des GWB aber auch folgende weitere erhebliche Nachteile:

  • Keine Vorabinformation nach § 101a GWB

    Die beteiligten und im Verfahren unterlegenen Bieter erhalten im Bereich unterhalb der Schwelle keine Nachricht vom Auftraggeber, dass er den Zuschlag erteilen will. Ist der Zuschlag aber erst einmal erteilt, so ist er grundsätzlich wirksam und kann nicht rückgängig gemacht werden, § 114 Abs. 2 GWB.
  • Kein Zuschlagsverbot durch Nachprüfungsverfahren

    Im Oberschwellenbereich ist der Auftraggeber ab dem Moment, in dem ihn die Vergabekammer von einem Nachprüfungsverfahren unterrichtet, gehindert, den Zuschlag zu erteilen, § 115 Abs. 1 GWB. Ein trotzdem erteilter Zuschlag ist nichtig, § 134 BGB. Dieser Schutz besteht im Unterschwellenbereich nicht.
  • Kein Recht auf Akteneinsicht

    § 111 GWB eröffnet für Nachprüfungsverfahren im Bereich oberhalb der Schwellenwerte ein Akteneinsichtsrecht für alle Beteiligten. Auf diesem Weg hat der Bieter die Möglichkeit, auch Einsicht in die zugrunde liegende Vergabeakte zu nehmen. Dieses Recht hat er im Unterschwellenbereich grundsätzlich nicht.
  • Keine einheitliche Rechtsprechung im Unterschwellenbereich

    Mangels gesetzlicher Regelung ist der Rechtsschutz im Unterschwellenbereich stark von der Rechtsprechung geprägt. Diese ist jedoch alles andere als einheitlich. Die Kalkulierbarkeit eines Verfahrens unterhalb der Schwellenwerte leidet unter diesem Umstand spürbar.

Sekundärrechtsschutz des unterlegenen Bieters auf Schadensersatz

Ist es für den Bieter im Bereich unterhalb der Schwellenwerte danach schwierig, mittels des so genannten Primärrechtsschutzes Einfluss auf die Vergabeentscheidung des Auftraggebers zu nehmen, so stehen ihm gegebenenfalls bei einer vergaberechtswidrigen Entscheidung des Auftraggebers – leichter durchsetzbare – Schadensersatzansprüche zu. Mehr dazu ist auf dem Vergaberecht-Ratgeber an dieser Stelle nachzulesen.