Rechtsschutz für den Bieter im Bereich oberhalb der Schwellenwerte

Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sollen vom Auftraggeber grundsätzlich gleich behandelt werden. Gleichzeitig gibt das Vergaberecht dem Auftraggeber für die Durchführung eines Vergabeverfahrens zahlreiche Vorgaben mit auf den Weg. So soll die Leistungsbeschreibung klar und eindeutig sein und den Bieter in die Lage versetzen, sein Angebot ohne Risiko kalkulieren zu können. Es sollen im Rahmen der Leistungsbeschreibung durch den Auftraggeber keine den Wettbewerb einschränkenden Produktvorgaben erfolgen und der Auftraggeber muss seiner Bewertung der Angebote und der Zuschlagserteilung objektive und nachvollziehbare Kriterien zugrunde legen.

Hin und wieder beschleicht den Bieter im Zuge eines Vergabeverfahrens das Gefühl, dass es in Anbetracht dieser – und zahlreicher weiterer – gesetzlicher Vorgaben bei der Vergabe nicht mit rechten Dingen zugeht. Bereits während des Studiums der Verdingungsunterlagen stellt der Bewerber fest, dass das Vergabeverfahren – sei es aus reiner Nachlässigkeit oder sogar gezielt – nicht den vergaberechtlichen Vorgaben entspricht.

In diesem Fall gewährt die Rechtsordnung für Vergaben, deren Wert oberhalb der so genannten Schwellenwerte liegt, einen durchaus effektiven Rechtsschutz. Der Bieter hat einen Rechtsanspruch gegen den Auftraggeber auf Einhaltung der Vergabevorschriften und kann diesen Rechtsanspruch nach dem vierten Teil des GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) nötigenfalls auch mit Hilfe der staatlichen Gerichte durchsetzen.

Bewegt sich der Wert der Vergabe also oberhalb des Schwellenwertes, dann kann ein Bewerber mit gerichtlicher Hilfe für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Vergabeverfahrens sorgen und gegebenenfalls auch mit Hilfe der Nachprüfungsbehören auch dafür sorgen, dass sein eigenes Unternehmen den ausgeschriebenen Auftrag erhält und nicht die missliebige Konkurrenz.

Notwendige Vergaberüge gegenüber dem Auftraggeber

Zwingende Voraussetzung für den Rechtsschutz des Bieters gegenüber dem Auftraggeber ist, dass vom Bieter ein Vergabeverstoß innerhalb – kurzer – vom GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) vorgesehener Fristen gerügt wird.

Vergabeverstoß aus Bekanntmachung oder Vergabeunterlagen erkennbar

Ist der Vergabeverstoß aus dem Inhalt der Bekanntmachung oder der Vergabeunterlagen „erkennbar“, dann muss der Bewerber seine Vergaberüge „bis (zum) Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung“ bei dem Auftraggeber eingereicht haben, § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB.

Ob ein Vergabeverstoß erkennbar ist oder nicht, entscheiden die Nachprüfungsbehörden anhand des objektiven Maßstabs eines durchschnittlichen Bewerbers. Konnte nach Überzeugung der Vergabekammern also ein durchschnittlicher Bewerber die Vergabeverstoß in Bekanntmachung oder Vergabeunterlage erkennen, so hat er diesen Verstoß auch spätestens bis Angebotsabgabe zu rügen, anderenfalls sein Rechtsschutzbegehren unzulässig ist.

Der Bewerber kann also insbesondere einen in Bekanntmachung oder Vergabeunterlage erkannten Vergabeverstoß nicht „in der Hinterhand halten“, um ihn, je nach Ausgang des Vergabeverfahrens, zu aktivieren.

Vergabeverstoß ist bei Kenntnis unverzüglich zu rügen

Hat der Bewerber Kenntnis von einem Verstoß gegen Vergabevorschriften durch den Auftraggeber, so muss er diesen Vergabeverstoß unverzüglich rügen, § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB. Dies gilt auch, soweit sich der Vergabeverstoß aus der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergibt. Erkannte Rechtsverstöße lösen beim Bewerber die Pflicht zu unverzüglichem Handeln aus.

Über die Frage, ob eine Rüge „unverzüglich“ war oder nicht, wird in der Praxis immer wieder gestritten. Eine in § 121 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) enthaltene Legaldefinition des Begriffs „unverzüglich“ durch die Begriffe „ohne schuldhaftes Zögern“ hilft im Ernstfall auch nicht recht weiter. Die Rechtsprechung behandelt hier jeden Einzelfall anders und hat eine Rüge innerhalb einer Frist von „ein bis drei Tagen“, von „bis zu einer Woche“ und in Ausnahmefällen von „bis zu zwei Wochen“ noch als unverzüglich angesehen. Je nach Komplexität und Umfang des rechtlichen Klärungsbedarfs der einzelnen Angelegenheit kommt man hier zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen.

Hat der Bewerber Kenntnis von einem Vergabeverstoß erhalten und will er nicht ausloten, wo die Rechtsprechung in seinem Fall die Grenze der „Unverzüglichkeit“ zieht, kann nur zu unmittelbarem Handeln geraten werden.

Form und Inhalt der Vergaberüge

Eine besondere Form ist für die Vergaberüge nicht vorgesehen. Nachdem die Rüge jedoch für den weiteren Verlauf des Verfahrens essentiell ist, ist natürlich Schriftform und ein Nachweis des Zugangs beim Auftraggeber zu empfehlen.

Auch für den Inhalt einer Vergaberüge gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Der Bewerber muss aber in seinem Schreiben an den Auftraggeber auf einen abgrenzbaren Sachverhalt Bezug nehmen, dem Auftraggeber mitteilen, warum aus diesem Sachverhalt ein Verstoß gegen das Vergaberecht resultieren soll und schließlich auch in dem Schreiben darum nachsuchen, den vermeintlichen Vergabeverstoß abzustellen.

Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Bewerber lediglich um „Aufklärung“ bittet, wie dieser oder jener Passus in den Vergabeunterlagen zu verstehen ist. Ein zu höflicher Bewerber erleidet also möglicherweise dadurch einen Rechtsnachteil, wenn er sich bei Vorliegen eines Vergabeverstoßes nicht dazu durchringen kann, sein Anliegen hinreichend deutlich zu machen.

Folgen des Fehlens einer unverzüglichen bzw. rechtzeitigen Rüge

Fehlt eine solche unverzügliche bzw. rechtzeitige Vergaberüge, ist ein Nachprüfungsantrag bei den Vergabekammern bereits grundsätzlich unzulässig. Ohne das Vorliegen einer unverzüglichen Vergaberüge beschäftigen sich also die Nachprüfungsbehörden nicht mit dem Fall, mag der Vergabeverstoß auch noch so eklatant sein.