Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer

Hat der Bewerber beim Auftraggeber form- und fristgerecht eine Vergaberüge eingereicht, dann muss er keine große Hoffnung darauf setzen, dass seiner Vergaberüge vom Auftraggeber auch abgeholfen wird.

In der Praxis ist der Auftraggeber nämlich über den Angriff auf „sein“ Vergabeverfahren alles andere als erfreut. Eine Vergaberüge bedeutet für ihn immer zusätzliche Arbeit und beinhaltet gleichzeitig auch den Vorwurf, nicht ordentlich oder zumindest nicht vergabekonform gearbeitet zu haben. Auch laufen in jedem Verfahren Fristen und diese Fristen werden durch eine Vergaberüge – und ein sich daran anschließendes Nachprüfungsverfahren – natürlich gründlich in Frage gestellt.

Soweit auch nur ansatzweise vertretbar, teilt der Auftraggeber dem Bewerber daher regelmäßig höflich aber bestimmt mit, dass er die Rechtsauffassung des Bewerbers bedauerlicherweise nicht teilen kann und von der Ordnungsgemäßheit seines Vergabeverfahrens ausgehen muss.

Für den Bewerber läuft ab Zugang dieser Mitteilung durch den Auftraggeber eine weitere, wichtige Frist. Nach § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) hat der Bewerber nämlich ab Zugang der Mitteilung durch den Auftraggeber, dass er der Vergaberüge nicht abhelfen will, 15 Kalendertage Zeit, sich zu überlegen, ob er „Ernst machen“ und die Angelegenheit vor die Vergabekammer tragen will. Lässt der Bewerber diese 15-Tage-Frist verstreichen, ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig.

Will der Bewerber das Nachprüfungsverfahren durchführen, so hat er binnen der vorgenannten 15-Tage-Frist bei derjenigen Vergabekammer, die in der Bekanntmachung der Ausschreibung vom Auftraggeber als Nachprüfungsbehörde angegeben wurde, einen schriftlichen und mit Begründung versehenen Nachprüfungsantrag einzureichen.

Die Vergabekammer reagiert auf einen solchen Antrag unverzüglich. Bei dem Auftraggeber fordert sie die der Ausschreibung zugrunde liegende Vergabeakte an und gibt ihm gleichzeitig Gelegenheit, zu dem Vortrag des rügenden Bewerbers Stellung zu nehmen.

Bei dem Antragsteller fordert die Vergabekammer einen Kostenvorschuss in Höhe von mindestens 2.500 Euro an, § 128 Abs. 2 GWB.

Gleichzeitig werden neben dem Antragsteller und dem Auftraggeber auch noch weitere Unternehmen an dem Verfahren beteiligt, soweit deren Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden, § 109 GWB.

Gleichzeitig wird sehr zeitnah ein mündlicher Verhandlungstermin anberaumt, zu dem die Angelegenheit mit allen Beteiligten besprochen wird. Lediglich mit Zustimmung aller Beteiligten oder bei Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit kann die Vergabekammer nach Aktenlage entscheiden, § 112 GWB. Rechnet der Auftraggeber mit einem Nachprüfungsantrag eines Bewerbers und will er die Vergabekammer bereits vorsorglich davon überzeugen, dass der Antrag des Bewerbers unzulässig oder jedenfalls offensichtlich unbegründet ist, dann kann der Auftraggeber bei der Vergabekammer eine so genannte Schutzschrift einreichen und seine Argumente dort ausbreiten, § 110 Abs. 2 GWB.

Nach § 113 Abs. 1 GWB trifft und begründet die Vergabekammer ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Alle Parteien können also bei einem Nachprüfungsverfahren mit einer sehr zeitnahen Entscheidung rechnen.

Ist der Nachprüfungsantrag des rügenden Bewerbers begründet und ist dieser durch den Vergabeverstoß auch in seinen Rechten verletzt, dann trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um die vorliegende Rechtsverletzung abzustellen. In aller Regel wird das Vergabeverfahren in das Stadium zurück versetzt, in dem der Verfahrensverstoß begangen wurde. Im Einzelfall kann dies für den Auftraggeber ein „Zurück auf Los“ bedeuten. Auch ein vom Auftraggeber bereits erteilter Zuschlag kann von der Vergabekammer aufgehoben werden.

Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er grundsätzlich die bei der Vergabekammer entstandenen Kosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen, § 128 Abs. 3 und 4 GWB.

Vergabesperre für den Auftraggeber

Neben dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand und dem Risiko, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird, bringt ein Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber noch eine weitere im Einzelfall sehr unangenehme Begleiterscheinung mit sich. Er darf nämlich nach § 115 Abs.1 GWB ab Kenntnis vom Eingang des Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer bis zur Entscheidung der Vergabekammer und dem Ablauf der Beschwerdefrist gegen diese Entscheidung keine Zuschlagsentscheidung treffen. Der Auftraggeber ist während eines Nachprüfungsverfahrens also grundsätzlich daran gehindert, durch Zuschlagserteilung vollendete Tatsachen zu schaffen.

Vergaberechtlich bedeutet diese Verzögerung für den Auftraggeber oft, dass er sich um die Bindefrist der ihm vorliegenden Angebote sorgen und gegebenenfalls um eine Verlängerung dieser Frist bei den Bietern nachsuchen muss.

Vertragsrechtlich hat schon so manches Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung zum Platzen der in den Ausschreibungsunterlagen vorgesehenen Termine für die Leistungserbringung geführt. Kommt nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens – mit welchem Bieter auch immer – ein Vertrag endlich zustande, dann sind die Termine entsprechend der aufgetreten Verzögerung anzupassen und dem Auftragnehmer hierdurch entstehende Mehrkosten vom Auftraggeber zu erstatten.