Die Bedeutung der Schwellenwerte für die Vergabe – Zweigeteiltes Vergaberecht

Das Vergaberecht in Deutschland ist zweigeteilt. Es gibt Regelungen für Vergaben oberhalb eines bestimmten wirtschaftlichen „Schwellenwertes“ und Regeln für Vergaben, deren wirtschaftlicher Wert unterhalb dieser Schwelle liegt.

Derzeit (Stand 01/2014) liegen die Schwellenwerte

  • für Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der Trinkwasser- oder Energierversorgung oder im Verkehrsbereich (Sektorenbereich) bei 414.000 Euro,
  • für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten oder oberen Bundesbehörden sowie vergleichbarer Bundeseinrichtungen bei 134.000 Euro,
  • Verteidigungs- und sicherheitsrelevante Liefer- und Dienstleistungsaufträge bei 414.000 Euro,
  • für alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge bei 207.000 Euro,
  • für Bauaufträge bei 5.186.000 Euro.

Ob der Schwellenwert von einem Auftrag erreicht oder überschritten wird, hat der Auftraggeber selber vorab im Wege der Schätzung zu ermitteln. Die auf den Auftrag entfallende Umsatzsteuer bleibt dabei bei der Schätzung außen vor, § 1 Abs. 1 VGV (Vergabeverordnung).

Die Schwellenwerte sind für in Deutschland durchgeführte Vergabeverfahren dem § 2 VGV bzw. § 1 Abs. 2 SektVO (Sektorenverordnung) zu entnehmen. Die Schwellenwerte für die einzelnen Vergabegebiete werden alle zwei Jahre von der EU-Kommission neu – und perspektivisch das nächste Mal im Jahr 2016 – an die wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst und festgesetzt, Art. 78 Abs. 1 Vergabekoordinierungsrichtlinie.

Europaweites Vergabeverfahren nur oberhalb des Schwellenwertes

Lediglich diejenigen Vergaben öffentlicher Auftraggeber, deren wirtschaftlicher Wert über den vorstehenden Schwellenwerten liegt, müssen europaweit ausgeschrieben und nach EU-Vergaberecht abgewickelt werden.

Effektiver Rechtsschutz nur oberhalb der Schwellenwerte

Die gravierendste Auswirkung dieser Zweiteilung von Vergaben oberhalb und unterhalb der Schwellenwerte resultiert aus § 100 Abs. 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Danach gilt der 4. Teil des GWB und insbesondere das dort geregelte Nachprüfungs- und Rechtsschutzverfahren nur für Aufträge, deren Auftragswert den jeweils festgelegten Schwellenwert erreicht oder überschreitet.

Dem Grunde nach besteht gegenwärtig also nur für Vergaben oberhalb des Schwellenwertes ein effektiver Rechtsschutz für den Bieter, mit dem er die Einhaltung der Vergabegrundsätze und ein faires Vergabeverfahren geltend machen und notfalls auch durchsetzen kann.

Regeln für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte

Bei Vergaben, deren wirtschaftlicher Wert unterhalb der Schwellenwerte liegt, hat der Auftraggeber im Wesentlichen die haushaltsrechtlichen Regelungen des Bundes, der Länder und Kommunen und, soweit in den haushaltsrechtlichen Regelungen angeordnet, auch jeweils den 1. Abschnitt der VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A) und der VOL/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil A) zu beachten.

Aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen ergeben sich auch unterhalb der Schwellenwerte für den öffentlichen Auftraggeber eine Verpflichtung zur Ausschreibung, vgl. z.B. § 55 BHO (Bundeshaushaltsordnung), oder die Verpflichtung zu wirtschaftlichem und sparsamen Handeln, § 7 BHO. Ein gesetzlich verbrieftes Nachprüfungsverfahren, ob diese Grundsätze vom öffentlichen Auftraggeber bei Vergaben unterhalb des Schwellenwertes tatsächlich auch eingehalten wurden, existiert jedoch derzeit nicht.