Wer ist öffentlicher Auftraggeber?

Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen „öffentliche Auftraggeber“ Waren, Bau- und Dienstleistungen auf der Grundlage eines vom Vergaberecht näher definierten Wettbewerbes und im Wege eines transparenten Vergabeverfahrens.

Wer ist öffentlicher Auftraggeber?

Die Klärung der Frage, wer öffentlicher Auftraggeber ist und damit dem Regime des Vergaberechts unterliegt, hat in der Praxis elementare Auswirkungen. Ist ein Auftraggeber nämlich als „öffentlich“ zu qualifizieren, dann gelten für ihn die nicht disponiblen Regelungen des Vergaberechts. Er kann nicht, wie ein privater Unternehmer, frei am Markt agieren und Aufträge nach Belieben vergeben.

Vergibt ein öffentlicher Auftraggeber, der dem Vergaberecht unterliegt, einen Auftrag ohne vorher ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchgeführt zu haben, dann ist der so abgeschlossene Vertrag nichtig, § 101b GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Ein nichtiger Vertrag kann weder Rechte noch Pflichten begründen und ist so ziemlich das letzte, was sich ein Einkäufer wünschen wird.

Noch drastischer können die Konsequenzen für einen öffentlichen Auftraggeber werden, wenn er einen – vergaberechtswidrig vergebenen – Auftrag nicht mit eigenen, sondern mit Fördermitteln finanziert hat. Ein Verstoß gegen vergaberechtliche Grundsätze kann hier noch Jahre nach Vertragsabwicklung eine Rückforderung der Fördermittel durch den Fördergeber auslösen.

Legaldefinition in § 98 GWB

Eine Legaldefinition des Begriffes des öffentlichen Auftraggebers enthält § 98 GWB. Dort hat der deutsche Gesetzgeber in Anlehnung an die auf europäische Ebene getroffene Regelung in der Vergabekoordinierungsrichtlinie (RL 2004/18/EWG) den persönlichen Geltungsbereich des Vergaberechts auf Gebietskörperschaften, juristische Personen, Verbände und sonstige natürliche oder juristische Personen bestimmt.

Obgleich die gesetzliche Regelung in § 98 GWB reich an Text ist, darf man im jeweils vorliegenden Einzelfall und vor allem in Grenzfällen davon ausgehen, dass alleine mit dem in § 98 GWB niedergelegten Gesetzestext eine Klassifizierung eines handelnden Rechtssubjektes als „öffentlicher Auftraggeber“ nicht möglich ist. Man ist vielmehr darauf angewiesen, im zu klärenden Einzelfall anhand von der Rechtsprechung entwickelter Kriterien die öffentliche Auftraggebereigenschaft zu überprüfen.

Neben den klassischen öffentlichen Auftraggebern, wie Bund, Länder und Gemeinden gehören nach der Rechtsprechung insbesondere auch solche Rechtssubjekte zu den öffentlichen Auftraggebern, die funktional Aufgaben der öffentlichen Hand wahrnehmen. Es bringt einer Kommune daher nichts, eine private GmbH zu gründen und auf diese Gesellschaft einzelne Aufgaben auszugliedern, um dem Vergaberecht zu entgehen.

Art. 1 IX Vergabekoordinierungsrichtlinie

Nähere Aussagen über den Begriff des „öffentlichen Auftraggebers“ enthält Art. 1 IX der Vergabekoordinierungsrichtlinie (PL 2004/18/EWG), dem im (nicht abschließenden) Anhang III auch ein „Verzeichnis der Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ beigefügt ist.

Nach Art. 1 IX der Vergabekoordinierungsrichtlinie gilt jedes Rechtssubjekt als „öffentliche Einrichtung“, das

  • zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen,
  • eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und
  • von staatlichen Stellen überwiegend beherrscht und finanziert wird.

Erfüllt eine Einrichtung diese Kriterien, spricht viel dafür, dass es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 98 GWB handelt.

Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers wird von den Gerichten im Einzelfall eher weit ausgelegt. Die mit dem Vergaberecht verfolgten Ziele wie der „effiziente Einsatz öffentlicher Gelder“ oder die „Abwehr von Korruption und Günstlingswirtschaft“ haben in letzter Zeit und werden absehbar auch in Zukunft dazu führen, dass die Regularien des Vergaberechts von immer mehr Einrichtungen zu beachten sind.